Der Flüchtlingsrat Berlin hat in seinen Stellungnahmen zum Asylpaket I (Oktober 2015) und zum Datenaustauschverbesserungesetz (Januar 2016, Einführung Ankunftsnachweis) darauf hingewiesen, dass die sozialen Teilhaberechte von Asylsuchenden mit den zusätzlich zur „Aufenthaltsgestattung“ geschaffenen Dokumenten „BüMA“ oder „Ankunftsnachweis“ (§ 63a AsylG neu) weithin unklar sind:
Stellungnahme Asylpaket I – Oktober 2015
Stellungnahme Datenaustauschgesetz – Januar 2016
Die Bundesregierung hat jetzt in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linken die integrationsfeindliche Schlamperei bei der Gesetzgebung zugegeben, BT-Drs 18/7834:
(Vorbemerkung):
Es ist richtig, dass in Fragen der Aufenthaltsgestattung und des Ankunftsnachweises im Hinblick auf die Ausübung von Rechten und verschiedene Fristen in der Praxis Unklarheiten bestehen. Deshalb soll die Aufenthaltsgestattung – auch unter Berücksichtigung des neuen Ankunftsnachweises – entsprechend geändert werden. Ziel ist, dass die Inanspruchnahme der an die Aufenthaltsgestattung bzw. an den gestatteten Aufenthalt geknüpften Rechte und Fördermaßnahmen, z. B. der frühzeitige Zugang zu Integrationsmaßnahmen, zum Arbeitsmarkt und zu arbeitsmarktpolitischen Instrumenten, sichergestellt ist.
(Frage 10):
Die Bundesregierung prüft derzeit gesetzliche Änderungen insbesondere beim gestatteten Aufenthalt, um die Inanspruchnahme sozialer und sonstiger Rechte sicherzustellen.
Das Problem: Asylsuchende erhalten anlässlich ihres „Asylgesuchs“ bei der Landesaufnahmestelle nur noch eine „BüMA“ oder einen „Ankunftsnachweis“ nach dem neuen § 63a AsylG. Erst bei der in der Praxis erst viele Monate später terminierten „förmlichen Asylantragstellung“ beim BAMF wird die „Aufenthaltsgestattung“ ausgestellt. Viele soziale Teilhaberechte Asylsuchender hängen jedoch vom Besitz einer Aufenthaltsgestattung ab.
Zwar regelt § 55 AsylG, dass eigentlich bereits das „Asylgesuch“ bei einer Landesaufnahmestelle rechtlich gesehen (egal welches Dokument ausgestellt wurde) einen „gestatteten Aufenthalt“ zu Folge hat. Dies gilt aber nicht, wenn die Einreise über einen sicheren Drittstaat erfolgte. Bei Einreise über einen sicheren Drittstaat entsteht laut § 55 Abs 1 Satz 3 AsylG die Aufenthaltsgestattung erst mit „förmlichen Asylantrag“ beim BAMF, was derzeit bereits wegen Einreise über Österreich auf mehr als 90 % der Asylsuchenden zutreffen dürfte.
Vom „Asylgesuch“ bei einer Landesaufnahmestelle bis zum Termin für den „Asylantrag“ beim Asylbundesamt BAMF dauert es in der Praxis derzeit 6 bis 12 Monate. Dies liegt allein an der Überlastung des BAMF. Asylsuchende haben auf die Terminlage keinerlei Einfluss und werden (anders als die Regierung behauptet, Frage 4) von der Security auch nicht vorgelassen, wenn sie „initiativ“ beim BAMF vorsprechen.
Asylsuchende werden dadurch über viele Monate hinweg von sozialen Teilhaberechten ausgeschlossen, da laut Bundesregierung zB die Fristen für das Arbeitsverbot oder die (zB bei Aufnahme eines Studiums relevante) Residenzpflicht erst ab förmlichem Asylantrag beim BAMF laufen. In der Praxis verlängern sich laut Bundesregierung mit „BüMA“ und „Ankunftsnachweis“ zur Abschreckung geschaffene Integrationsverbote um den monatelange Zeitraum von Asylgesuch (bei der Landesaufnahmestelle) bis zum förmlichen Asylantrag (beim BAMF) und Erhalt der „Aufenthaltsgestattung“.
Folgende Integrationsverbote verlängern sich lt. Bundesregerung um den Zeitraum vom „Asylgesuch“ bei der Landesaufnahmestelle bis zum „Asylantrag“ beim BAMF (Frage 24):
- das 3monatige absolute Arbeitsverbot, die 15monatige Frist bis zum Wegfall der Vorrangprüfung, und die 48monatige Frist bis zum Wegfall auch der Prüfung der Arbeitsbedingungen (§ 61 Abs. 2 AsylG und § 33 BeschV)
- die ausnahmslose Beschränkung der Bewegungsfreiheit (Residenzpflicht) auf den zugewiesenen Landkreis (§ 59a AsylG)
- die 15monatige Wartefrist für das BAföG und BAB mit Duldung oder humanitärem Aufenthalt (§ 8 Abs 2, 2a BAföG)
- die Wartefristen für ein humanitäres Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche (§ 25a AufenthG) und die Altfallregelung (§ 25b AufenthG)
- die Wartefristen für eine Niederlassungserlaubnis (§ 26 Abs. 4 AufenthG)
Hingegen verlängern sich lt. Bundesregerung folgende Integrationsverbote nicht um den Zeitraum vom „Asylgesuch“ bis zum „Asylantrag“:
- die bis zu 6monatige Pflicht zum Wohnen in einer Asylerstaufnahmeeinrichtung (§ 47 Abs. 1 AsylG), die an die tatsächliche Aufnahme in eine EAE anknüpfe,
- der Zugang zum Integrationskurs für Asylsuchende aus Eritrea, Iran, Irak und Syrien, der auch mit Ankunftsnachweis möglich sei (Frage 19).
Ein Leistungsanspruch nach AsylbLG (aber kein Anspruch auf Sozialhilfe nach SGB XII) bestünde auch mit „BüMA“ oder „Ankunftsnachweis“, da die Asylsuchenden mit diesen Dokumenten als „vollziehbar Ausreisepflichtige“ anspruchsberechtigt seien nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG (Frage 23).
Unabhängig vom Leistungsrecht ist die Behauptung der Bundesregierung, Asylsuchende seien „vollziehbar ausreisepflichtig“, grober Unfug und eine böse Diffamierung der Geflüchteten.
Quelle: Flüchtlingsrat Berlin